Künstlerinnen und Künstler können sich im Schutzbereich der Kunstfreiheit politisch positionieren und diese Positionierungen auch überspitzt oder polemisch vortragen. Damit können sie auf Missstände hinweisen, anklagen und andere ermutigen, die eigene Stimme zu erheben. Kunst kann dadurch sehr unbequem werden. Durch die provokative Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und die direkte Ansprache von Personen und Organisationen hat Danger Dan in seinem Lied einen Beitrag zur politischen und kulturellen Debatte in Deutschland geleistet.
Welchen Beitrag können Museen leisten, und wie ist es um ihre Freiheit bestellt? Ein Großteil der deutschen Kulturlandschaft ist abhängig von staatlicher Subventionierung. Auch viele Museen unterliegen der öffentlichen Hand und stehen daher in der Verwaltung politischer Entscheidungsträger, wodurch die Freiheit in der Museumsarbeit spürbar eingeschränkt werden kann. Denn die Grenze zwischen politischer Einflussnahme und legitimer Steuerung kann leicht verschwimmen und fast unscheinbar überschritten werden. So ermöglicht z. B. die Verteilung von Fördermitteln einen gewissen Einfluss auf die Arbeit der Museen. Auch Zweckbindung von Mitteln sowie Stellen können die Spielräume der Museen eingrenzen.
Welche Bedeutung Museen in der Gesellschaft einnehmen, zeigt die Studie des Instituts für Museumsforschung »Das verborgene Kapital: Vertrauen in Museen in Deutschland«. Demnach genießen Museen in Deutschland höchstes Vertrauen und besitzen das Potenzial, das gesellschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und Vertrauen in kulturelle Institutionen insgesamt zu befördern. Die damit verbundene politische Relevanz von Museen und die Wirkungskraft politischer Einflussnahme haben insbesondere rechte Gruppierungen erkannt. Haben wir im Rahmen der Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes »Eine Frage der Haltung« im Jahr 2018 noch mit großer Anteilnahme und gleichzeitig einer gewissen Distanz dem Bericht des damaligen Direktors des Weltkriegsmuseums in Danzig, Paweł Machcewicz, über die Dimensionen politischer Einflussnahme gelauscht, so brauchen wir heute die Landesgrenzen nicht mehr zu verlassen, um relevante Beispiele zu finden.
Dabei soll doch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft bzw. Forschung und Lehre schützen und als Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe und Einflussnahmen fungieren. Wie verhält es sich also mit der Kunstfreiheit für Museen? Der Schutzbereich der Kunstfreiheit umfasst sowohl den Werkbereich als auch den Wirkbereich. Für Museen und andere Kultureinrichtungen ist dies besonders wichtig, da neben dem Künstler bzw. der Künstlerin im Werkbereich auch diejenigen geschützt werden, die im Bereich der Darbietung und Verbreitung der Kunst also im Wirkbereich aktiv sind. Was bzw. wen der Schutz des Wirkbereichs genau umfasst, ist jedoch nicht ganz eindeutig, vor allen für Laien. Arbeiten Kulturschaffende in einer staatlich finanzierten Organisation, z.B. als Direktor oder Direktorin eines staatlichen Museums, stellt sich die Frage, ob diese Personen als Amtsträger grundrechtlich geschützt sind. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien hat sich mit dieser Frage befasst und stellt fest, dass grundsätzlich auch diese Personen unter dem Schutz der Kunstfreiheit stehen, dies jedoch von ihrer Tätigkeit in der Institution abhänge. So sind alle Ebenen einer staatlichen oder staatlich geförderten Kulturinstitution, von der Museumsdirektorin bis zur Kuratorin geschützt, soweit ihre Aufgaben einen künstlerisch-gestaltenden Gehalt haben. Welche Personen damit konkret geschützt sind, ist in der Museumspraxis nicht immer ganz eindeutig. Das Gutachten weist zudem darauf hin, dass fraglich ist, ob der Grundrechtsschutz auch für staatliche Kunstorganisationen als solche gilt oder nur für die in ihnen arbeitenden Personen. Es ist umstritten und gerichtlich nicht geklärt, ob beispielsweise ein Stadtmuseum als kommunaler Eigenbetrieb Grundrechtsanspruch hat. Es gibt also für Museen noch einige Grauzonen zu überwinden. Das Thema bleibt komplex und der Bedarf nach Informationen sowie der Wunsch nach Klarheit ist sehr groß.
Für die Museumspraxis bedeutet dies, die Unsicherheit unter den Museumsfachleuten wächst. Was kann ich und was darf ich? Welche Spielräume habe ich? Wie gehe ich mit Hetze und Anfeindung um? Wie kann ich mich gegen Instrumentalisierung schützen, und wie begegne ich Parteianfragen? Museen, die durch kommunale Haushalte, durch das Land oder den Bund finanziert werden, müssen Parteianfragen zu thematischen Zielsetzungen, zu Ausstellungen, Veranstaltungsformaten etc. beantworten. Gerade wenn rechtspopulistische Parteien in den Parlamenten sitzen, sind sie oft für den Kulturausschuss zuständig und mischen sich dann in die Museumsarbeit ein. Mit vielen kleinen Anfragen verfolgen sie die Strategie, die Museumsleitung zu verunsichern. Als Argumentation verweisen sie auf die politische Neutralitätsverpflichtung des Museums. Fakt ist jedoch, dass auch diese Museen durchaus eine institutionelle Haltung haben können, solange diese nicht parteipolitisch ist.
Museen können und müssen eine Haltung entwickeln und diese kommunizieren. Doch solange Museen nicht explizit in Art. 5 Abs. 3. GG genannt werden, bleibt die Unsicherheit und die Möglichkeit politischer Einflussnahme bestehen. Viel hängt dann von der Courage einzelner Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ab.
Die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes 2025 widmet sich dem Thema »Museen: Macher der Demokratie?«. Sie untersucht die Verantwortung sowie Rolle von Museen als (öffentliche) Institutionen für die Demokratie und lädt zur Diskussion über Aufgaben und Spielräume von Museen als politische Akteure ein. Wie entwickelt ein Museum eine Haltung, auf welcher Grundlage und für wen? Wie gehen Museen mit Verunsicherung, Hetze und Anfeindung um? Wie positionieren sich Museen zwischen Kunstfreiheit und kuratorischer Verantwortung? Die Konferenz zeigt Handlungsspielräume sowie praktische Instrumente auf, um Einfluss von Politik und Trägern zu begrenzen und zu systematisieren.
Der Beitrag „Der Wunsch nach Klarheit ist groß“ von Sylvia Willkomm ist am 28. August 2024 in der Zeitung des Deutschen Kulturrates „Politik & Kultur“ erschienen. Hier geht es zum Online-Beitrag.