Für Ihre Fachgruppentagung hat auch die Fachgruppe „Technikmuseen“ das Thema der Haupttagung übernommen und sich in theoretisch-universellen wie auch praktischen Zugängen um Positionierung bemüht. Nach kurzer Begrüßung durch den Fachgruppensprecher Andrej Quade fragte in einem umfassenden einführenden Vortrag zunächst Marion Grether (Deutsches Museum Nürnberg / Zukunftsmuseum), welche Krisen bei einer derartigen Themensetzung überhaupt gemeint sein könnten. Das Deutsche Museum befände sich nicht in der Krise – und auch für andere Museen sei dies nicht unbedingt zu konstatieren: Die Besuchszahlen seien nach Corona vielerorts beeindruckend; ein Drittel aller Deutschen gehe mindestens gelegentlich in ein Museum. Handelt es sich demnach eher um eine Sinnkrise. Sind die Museen vor allem mit ihrem Selbstanspruch überfordert, relevanter Mitgestalter, Krisenbegleiterin, Partner bei der Einordnung von aktuellen Geschehnissen zu sein? Fragt man, mit welchem geistigen und emotionalen Gepäck Besuchende ins Museum kommen, so seien Sorge um die Wirtschaftslage, Staatsfinanzen, Migration, politische Krise und natürlich Krieg und Bedrohung nach einer Umfrage der ZEIT derzeit vorherrschend. Dieses Gepäck zu kennen und stärker aufzunehmen sei ein möglicher Weg und würde beispielsweise aktuell vom Baltimore of Art spannend umgesetzt, indem das bestens um die Nöte der Gäste wissende Aufsichtspersonal zusammen mit Kuratoren Ausstellungen konzipiert. Die Museen müssen demnach – statt zu klagen – an erster Stelle aktiv entschieden, was sie sein möchten: Storyteller, ein Raum zur Debatte, Moderatoren, Orte der Unterhaltung oder Dokumentare. Dann wäre man in der eigenen Krise auch sicher einen Schritt weiter.
Die anschließende Diskussion spiegelte die Breite von Frau Grethers Vortrag wider und tangierte Themen von der inhaltlichen Deutungshoheit bis zum Umfang der an Museen herangetragenen Anforderungen. Besonders enge Kooperationen mit Unternehmen und dadurch möglicherweise tendenziöse Darstellungen wurden kontrovers diskutiert, zumal neben dem Zukunftsmuseum aktuell auch das Deutsche Technikmuseum und das Museum für Arbeit komplexe Erfahrungen mit Sponsorings und Kooperationen haben. Entscheidend sei ein Code of Conduct, so Joachim Breuninger vom Deutschen Technikmuseum, welcher bei derartigen Zusammenarbeiten Strategien definiere und Grenzen setze, damit im Zweifelsfall – etwa wenn die inhaltliche Neutralität gefährdet sei – Nein gesagt werden könne. Den Vorschlag, ob der DMB einen Leitfaden zur Erstellung eines solchen Codes of Conduct erstellen könne, werde Prof. Rita Müller in den Vorstand weitertragen. Allgemein können Netzwerke und Kooperationen, aber auch Besuchende ein Lösungsweg für die Breite der von Museen beanspruchten Aufgaben sein. Das bereits auf der Haupttagung diskutierte postkoloniale Projekt am LWL Museum Zeche Zollern verdeutliche dies trotz der Problematiken sehr gut: Mit der Entscheidung für eine Ausstellungswerkstatt sei angesichts der schwierigen Zusammenarbeit mit verfeindeten Communities die Deutungshoheit etwas abgegeben worden, um sie nun mit der im Juni zu eröffnenden Ausstellung wieder zurück im Museum zu verorten.
Dem universellen Einstieg folgten auf der Fachgruppentagung zwei fast schon diametral zu bezeichnende Praxisbeispiele. Dr. Hajo Neumann, Direktor des Technikmuseums Magdeburg, stellte dessen über siebzigjährige Odyssee von einer „Kammer der Technik“ im Kulturhistorischen Museum über die Pläne einer Neugründung in den 1970er und 80er Jahren bis hin zur Vereinsträgerschaft ab 2006 dar, welche Museum und Sammlung vor der Schließung bewahrt haben. 2019 wurde das Haus von der Stadt Magdeburg übernommen und seither als Fachdienst innerhalb der Stadtverwaltung geführt. Aus den beiden groß angelegten Machbarkeitsstudien 2020 und 2022 (mit Iglhaut + von Grote), die ein Zentrum Industriekultur mit Technikmuseum, Technikpark, Werkstätten, Depot und Veranstaltungen vorgesehen hätten, sei bislang nichts geworden, u.a. weil größere Lösungen auf unterschiedlichen politischen Ebenen per sé abgelehnt worden seien. So ist die Situation der Ausstellung und Sammlung weiterhin prekär: Letztere ist größtenteils undokumentiert und in Teilen verschwunden; das Gebäude muss hingegen bei starken Witterungsereignissen geschlossen werden. Die Teilnehmenden der Fachgruppentagung können den dadurch entstehenden Frust nachvollziehen. Rückschläge dieser Art seien überall bekannt. Umso wichtiger sei es aber für Museen, sich Kompetenzen im Politikgespräch anzueignen, um die „je größer, desto besser“-Forderungen vieler Politiker geschickt einrahmen zu können.
Wenn Museen relevant sind, dann hätten sie es in der Corona-Krise beweisen sollen, meinte hingegen Dr. Karl Borromäus Murr, Direktor des Staatlichen Textil- und Industriemuseums Augsburg. So könnten Ausstellungen als Reflexionen auf Krisen zu dessen Verstehen und Bewältigen beitragen, weshalb das tim als Laboratorium der Moderne eine zusätzliche Ausstellung ins Programm nehmen wollte, welche in nur 6-9 Monaten zu konzipieren und umzusetzen war. Entschieden wurde sich für das Thema „Solidarität“ – u.a. wegen verschiedener Anknüpfungspunkte zur Stadt Augsburg und dortigen Forschungsprojekten zur Solidarität. Die Ausstellung war thematisch sehr breit angelegt, wie Karl Murr in einem virtuellen Rundgang von Flucht über Gesundheit bis zum Klimawandel eindrucksvoll demonstrierte. Insgesamt sei das Resümee auch positiv, zumal Museen einen solidarischen Auftrag hätten, welcher der Logik der Leistungsökonomie entzogen sein muss. Das positive Feedback der Teilnehmenden bestätigt diese Ansicht und hinterlässt in doppeltem Sinne das Gefühl, Solidarität sei der beste Ansatz in Krisen.
Oliver Götze