Museumspolitik aktiv gestaltenÂ
Politisches Engagement gehört seit seiner Gründung im Jahr 1917 zu den zentralen Aufgaben des Deutschen Museumsbundes. Doch was bislang meist reaktiv und hinter den Kulissen ablief, wird nun verstärkt aktiv gestaltet und somit viel schneller in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Es ist heute schlichtweg nicht mehr möglich, nicht politisch zu sein – auch der Deutsche Museumsbund sieht sich immer häufiger in der Pflicht, sich zu positionieren.​Â
Um die Interessen der Museen gegenüber der Politik wirkungsvoll zu vertreten, mischen wir uns aktiv in politische Entscheidungen ein, beziehen Stellung zu museumsrelevanten Themen und gehen mit Politiker:innen in den Austausch. Dabei sehen wir uns in guter Gesellschaft mit sehr verdienstvollen Interessenvertretungen der Kultur wie dem Deutschen Kulturrat, mit dem wir eng vernetzt sind. Doch diese Kulturverbände können naturgemäß nicht museumsspezifisch argumentieren und handeln. In den Bundesländern sind zudem die Museumsämter sowie -verbände aktiv und auf internationaler sowie europäischer Ebene ICOM Deutschland und das Netzwerk Europäischer Museumsorganisationen – NEMO – genau dazwischen sehen wir unser Aufgabengebiet: Der Deutsche Museumsbund vertritt die Interessen der Museen auf Ebene der Bundespolitik. Denn der Museumssektor mit mehr als 7.000 Institutionen muss in jeder kulturpolitischen Entscheidung berücksichtigt werden. Als Orte für Bildung und Austausch stärken Museen die Debattenkultur und sind für eine demokratische Gesellschaft und ihre Themen unverzichtbar. Â
Wir agieren proaktiv, koordiniert und langfristig, um museumsbezogene Themen bei der Politik, in den führenden Medien und bei Partnerverbänden zu platzieren. Wir greifen gesellschaftspolitische Themen auf und diskutieren diese mit Bezug auf die Rolle der Museen und ihre Arbeit. Dabei beziehen wir Stellung für die Interessen der Museen und ihrer Mitarbeiter:innen, veröffentlichen zukunftsorientierte Positionen und herausfordernde Visionen, die wir breit kommunizieren. Â
Die eigenen Werte definierenÂ
Neben der Festlegung von Schwerpunkten und einer Kommunikationsstrategie ging es zu Beginn der intensivierten politischen Aktivitäten darum, die eigenen Werte zu definieren. Wo stehen wir – und wofür stehen wir? Basierend auf dem Grundgesetz bilden die Werte die Grundlage für die Arbeit des Deutschen Museumsbundes und ​beschreiben seine Haltung zur gesellschaftlichen Rolle der Museen.Â
Hier haben wir drei Begriffspaare identifiziert. Â
Demokratie & Bildung​: Bildung macht Menschen zu mündigen Bürger:innen. Bildungsorte wie Museen stärken die Demokratie. Sie vermitteln komplexe Zusammenhänge und bieten Diskursen einen Ort. Dadurch beugen sie polarisierenden Desinformationen vor und tragen zur ​Prävention von Extremismus und Populismus bei.Â
Toleranz & Verständigung​: Museen setzen sich für einen respektvollen Umgang mit allen Menschen ein. Durch Offenheit, Multiperspektivität und Meinungsaustausch fördern Museen Verständigung, Toleranz und Vielfalt. Durch diese Arbeit helfen sie, Unterschiede zu ​überwinden und Gemeinsamkeiten zu finden. Â
Verantwortung & Diskurs​: Museen sind gleichermaßen Orte der Geschichte und der Innovation. Sie übernehmen Verantwortung für Objekte, Geschichten und Erinnerungen und verbinden sie mit gesellschaftlichen Debatten. ​Sie handeln dabei unabhängig, sensibel und nachhaltig, ​eröffnen neue Blickwinkel und Zukunftsperspektiven. Â
Allgemeine Schwerpunkte der aktuellen museumspolitischen Aktivitäten des Deutschen Museumsbundes Â
Was tun wir nun genau in unserer museumspolitischen Arbeit? Schwerpunkte sind Interessenvertretung, Netzwerkarbeit sowie die proaktive Einmischung in die Kulturpolitik auf Bundesebene. Darüber informieren wir auf unserer Webseite museumsbund.de/museumspolitik sowie vierteljährlich in unserem Newsletter Museumspolitik.Â
Advocacy​, Netzwerkarbeit und verschiedene Formate
Beratung von Administration und Politik​, Engagement in kulturpolitisch relevanten Gremien​, Beteiligung bei museumsrelevanten Gesetzen und Verordnungen, Stärkung des Bewusstseins für Museumsthemen, diesbezügliche Öffentlichkeits- und Pressearbeit​ – das sind kurz gefasst die Schwerpunkte.Â
Museumspraktikum für Politiker:innen
Mit den Museumspraktika möchte der Deutsche Museumsbund politischen Entscheidungsträger:innen ein besseres Verständnis für die vielfältigen und oft verborgenen Aktivitäten in einem Museum vermitteln. Die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch wird im Juni hinter die Kulissen eines Museums in der Kulturhauptstadt Chemnitz schauen. Wir werden sie begleiten und den Besuch mit einem Video dokumentieren.Â
Jahrestagungen zu museumspolitischen Themen
Nach der Jahrestagung zur Orientierung in der Krise im Jahr 2024 in Aschaffenburg lautet der Titel der diesjährigen Jahrestagung „Museen stärken Demokratie​“. Mit der Jahrestagung 2025 vom 4. Bis 7. Mai 2025 in Chemnitz möchten wir Museen als demokratische Akteure stärken. Wir untersuchen, wie Museen dem Einfluss von Politik und Trägern begegnen können, mit welchen Maßnahmen sie sich proaktiv gegen Demokratiefeindlichkeit wappnen und mit welchen Angeboten sie auf Polarisierung und Emotionalisierung in der Gesellschaft reagieren können. Dabei informieren wir rechtssicher, bieten Erfahrungsaustausch, Beispiele und praktische Empfehlungen. Politisch und gesellschaftlich relevant geht es auch 2026 weiter, die Jahrestagung in Münster wird sich dem Themenfeld „Museen in der pluralen Gesellschaft“ widmen.Â
Studie Kulturbesuche
Gemeinsam mit vier Museumsberatungsstellen in den Ländern hat der Deutsche Museumsbund eine bevölkerungsrelevante Studie zu Kultur- und Museumsbesuchen in Deutschland in Auftrag gegeben. ​Für 80% der Befragten sind Museen vertrauenswürdig und zuverlässig​, 82% sehen Museen als Hüter des Erbes unserer Zivilisation​, 71% meinen, dass Museen helfen, die Gesellschaft besser zu verstehen, 54% der Menschen zw. 18 und 49 sind der Meinung, dass Museen sich an Debatten beteiligen sollen, die unsere Gesellschaft prägen und rund ein Drittel der Bevölkerung geht mindestens ein Mal im Jahr ins Museum.Â
Bundestagswahl 2025 – 10 Forderungen für zukunftsfähige MuseenÂ
Neben dem oben skizzierten Engagement war es uns besonders wichtig, zur Bundestagswahl 2025 konkrete Forderungen für einen zukunftsfähigen Museumssektor zu formulieren. Diese Forderungen werden unsere politische Arbeit in den kommenden Monaten und Jahren bestimmen. Denn: Die Wahrnehmung und Berücksichtigung der Bedarfe und Interessen von Museen in Wahlprogrammen, bei Koalitionsverhandlungen und in der täglichen politischen Arbeit ist unerlässlich (siehe Forderung 1). Die Forderungen betreffen aktuelle Themen sowie museumsspezifische als auch gesamtgesellschaftliche Herausforderungen und weisen auf einen dringenden Handlungsbedarf von Seiten der Bundesregierung hin. So geht es um Unabhängigkeit, Vielfalt und Teilhabe und die Frage, wie diese erhalten und gestärkt werden kann. Im Papier fordern wir die Aufnahme der Museen in Art. 5 Abs. 3. GG als wirkungsvollen Schutz vor politischer Einflussnahme sowie die Stärkung des politischen Engagements von gemeinnützigen Institutionen durch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Â
Im Bereich der kulturellen Bildung auf Bundesebene sehen wir Handlungsbedarf bei der bedarfsgerechten Ausstattung des Kinder- und Jugendplans (KJP). Zudem muss die Förderung erfolgreicher Förderprogramme wie „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ dauerhaft im Bundeshaushalt verankert werden. Zur Stärkung einer lebendigen Erinnerungskultur sehen wir die Notwendigkeit der verlässlichen Bereitstellung von Bundesmitteln und der auskömmlichen Finanzierung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste als zentrale Anlaufstelle für kulturgutbewahrende Einrichtungen. In Bezug auf die Künstliche Intelligenz bieten wir unsere Mitarbeit an, um ausgewogene, ethische Rahmenbedingungen im Umgang mit KI zu entwickeln. Weitere Forderungen betreffen Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit, den Kulturgutschutz sowie die nationale Resilienzstrategie. Â
Und last but not least: 75 Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes ist es höchste Zeit, Kultur als Staatsziel in der Verfassung zu verankern und damit die Verantwortung des Staates zu unterstreichen und die Kommunen und Länder zu stärken.Â
Von Sebastian Schwarzenberger
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Zeitschrift KulturBetrieb, Ausgabe eins 2025.