Roboter umringt von Museumsbesuchern
TECHNOSEUM Mannheim, Foto: Klaus Luginsland

Digitaler Wandel in Museen

Seit kurzem sind in Museen häufiger Menschen zu beobachten, die sich allein oder in Gruppen suchend durch die Räume bewegen, das Smartphone vor sich ausgestreckt.

Grund für diese Erscheinung ist die App Pokémon Go, die seit dem 13. Juli 2016 auch auf dem europäischen Markt zum Verkaufsschlager avanciert. In diesem Spiel geht es darum, möglichst viele Fantasiemonster, sogenannte Pokémon, einzufangen. Für Museen ist das – ob gewollt oder nicht – relevant, weil die App-Programmierer öffentliche Orte mit einer Vielzahl dieser Pokémons virtuell ausgestattet haben und man diese nun auch in Museumsräumen fangen kann.  Museen werden so zum realen Bewegungsraum in einem virtuellen Spiel. Es gibt Museen, die sich davon mehr Aufmerksamkeit und neues Publikum erhoffen und sich sogar als Pokémon-Ort vermarkten. Und es gibt prominente Beispiele wie das Holcocaust Museum in Washington und einige Gedenkstätten, die das Spielen an ihrem Ort aus Pietätsgründen untersagen. Selbst die Tagesschau berichtete bereits dazu (1). Eventuell handelt es sich um einen Hype, der genauso schnell vorüber ist, wie er gekommen war, aber er zeigt einmal mehr, wo Museen heute zu verorten sind: Mitten in der digitalen Welt.

Die Zukunft: Digitale Strategien für Museen

War noch vor 10 Jahren vor allem die Homepage der digitale Schauplatz der Museen, setzt sich allmählich das Bewusstsein für ganzheitliche digitale Strategien in vielen Häusern durch. Damit ist gemeint, dass unterschiedliche digitale Kanäle, Inhalte und Erzeugnisse nicht als Inseln nebeneinander existieren, sondern Strukturen geschaffen werden, um diese strategisch aufeinander abzustimmen. Auf diese Weise entsteht ein Mehrwert, denn durch die Digitalisierung werden bestehende Angebote inhaltlich ausgebaut und neue Zugänge innerhalb der Vermittlungs-, Sammlungs- und Ausstellungsaktivitäten geschaffen. Der Nutzerkreis wird so erweitert, denn digitale Datenbanken richten sich nicht mehr nur ans Museumspublikum, sondern oftmals an eine breitere, neugierige Öffentlichkeit. Nicht selten ist die Frage zu hören, ob mit der Onlinestellung von Ausstellungen oder digitalen Sammlungen der Museumsbesuch möglicherweise obsolet werde. Erfahrungen verschiedener Häuser bezeugen allerdings genau das Gegenteil: Ist die Onlinepräsenz gut aufbereitet, kommen sogar mehr Besucher ins Haus (2).

Soziale Medien verändern das Besucherverhalten

Die Digitalisierung hat auch Auswirkungen auf analoge Museumspraxen. Die Autorin und Museumsdirektorin Nina Simon führt in ihrem Buch The Participatory Museum aus, dass nicht zuletzt die Sozialen Medien den Wunsch nach Partizipation in die Breite getragen und damit die Konsumhaltung nachhaltig verändert haben (3). So habe die Teilhabe in den Sozialen Netzwerken auch zur Veränderung im Besucherverhalten von Museen geführt: Besucher wollen sich auch in Museen einbringen, sie wollen kommentieren und in einen aktiven Dialog treten. Und manchmal wollen sie auch Inhalte generieren. Museen reagieren zunehmend auf diese Trends: Es gibt Besuchervotings für Exponate und CoKuratorenschaft bei der Erarbeitung von Ausstellungen.

Offene Fragen

Der digitale Wandel in Museen bringt allerdings auch eine Vielzahl von Fragen mit sich. Da sind neben internen Abstimmungsprozessen auch die Rahmenbedingungen. In vielen Museen fehlen zusätzliche personelle Ressourcen für einen umfassenden Digitalisierungsprozess, bei der Unterstützung sind hier insbesondere die Museumsträger gefragt.

Eine andere Frage betrifft den rechtlichen Rahmen: An verschiedener Stelle wird auf die (noch) komplizierte Rechtesituation bei der Digitalisierung von urheberrechtlich geschützten Werken in Archiven, Bibliotheken und Museen hingewiesen und eine Änderung der derzeitigen Situation gefordert (4).

Der Deutsche Museumsbund beschäftigt sich mit diesen Fragen und versucht aktiv an deren Klärung mitzuwirken. So hat sich beispielsweise innerhalb des Arbeitskreises Verwaltungsleitung die Arbeitsgruppe Urheberrecht konstituiert, um sich intensiver mit den Spezialthemen Urheberrecht, Informationszugang und Digitalisierung zu beschäftigen. Darüber hinaus unterstützt der Deutsche Museumsbund das Musterverfahren zwischen Digitaler Bibliothek und VG Bild-Kunst zum Framing-Urteil, um die Rechtslage im Falle der Weiterverwendung von Inhalten durch Dritte eindeutig zu klären.

Viele Fragen stehen noch aus. Neben den Rahmenbedingungen ist nicht zuletzt das eigene Selbstverständnis zu prüfen. Wenn Museen im 21. Jahrhundert relevant sein wollen, müssen sie mit ihren Besuchern in Dialog treten und dafür mitunter einen Teil ihrer Deutungshoheit aufgeben. Fest steht: Die digitale Kommunikation wird in einigen Jahren das A und O im Museum sein.

Berlin, Juli 2016

Prof. Dr. Eckart Köhne, Präsident, für den Vorstand des Deutschen Museumsbunds e. V.

 

(1) Tagesschau vom 24. Juli, www.tagesschau.de/multimedia/video/video-202241.html

(2) So beispielsweise Mirjam Wenzel, Leiterin des Jüdischen Museums in Frankfurt, in einem Interview mit dem Freitag vom 12. Februar 2016. Siehe hierzu: www.freitag.de/autoren/konstantin-nowotny/das-digitale-museum

(3) Vgl. hierzu: Nina Simon (2010): The Participatory Museum. Santa Cruz

(4) Vgl. beispielsweise: www.hamburger-note.de