Ein erfreuliches Jubiläum, das 150-jährige Bestehen der Sammlungen der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, war Anlass, die Herbsttagung der Fachgruppe Technikhistorische Museen im Museum für Kommunikation Frankfurt auszurichten, um über die „Bedeutung der Dinge“ in den Austausch zu treten.
Die Tagung näherte sich aus verschiedenen Perspektiven der Frage an, wie sich die Anforderungen an das Sammeln von technischem Kulturgut verändert haben und welche Folgerungen sich für die Zukunft der Sammlungsarbeit ableiten lassen.
Zwei Vortragseinheiten zu drei Impulsreferaten mit Diskussion stimmten auf das Thema ein. Im ersten Panel, überschrieben mit „Was machen wir damit?“, erfassten drei Referenten den aktuellen Stand der Kernthemen Sammeln, Bewahren, Forschen:
Dr. Anke Keller vom Technoseum Mannheim eröffnete mit „Darfs ein bisschen mehr sein?“, einem Bericht über die Übernahme und Bearbeitung großer Sammlungen am Beispiel des SWR- und DRA-Bestandes. Sie stellte den zusätzlichen Personalaufwand für Planung und Durchführung heraus und riet zu einer klaren, ehrlichen Verantwortungs- und Ressourcenanalyse im Vorhinein.
Dr. Jörg Drauschke aus dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz betrachtete in seinem Erfahrungsbericht die für viele wünschenswerte Möglichkeit eines Depotneubaus. Seine detaillierte Beschreibung von Sammlungsvorbereitung und Umzugsmanagement gab viele praktische Hinweise zu den notwendigen Schritten bei der komplexen Aufgabe eines Sammlungstransfers.
Zum Abschluss der ersten Session erläuterte Peter Schwirkmann vom Deutschen Technikmuseum Berlin aktuelle Sammlungsforschung anhand des Projektbeispiels „Die Sichtbarmachung des Sichtbaren “, der Erfassung und digitalen Publikation historischer Druckschriften. Eindeutiges Credo: Digitalisierung und freier Zugang zu Forschungsergebnissen sind heute ein wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Sammlungsarbeit.
Im zweiten Panel „Was machen wir anders?“ lag der Schwerpunkt auf dem Wandel, den die Sammlungsarbeit erfuhr und erfährt.
Dr. Hannah Fitsch von der TU Berlin fragte mit „Gender/Technik/Museum – Kulturgeschichte oder Technikgeschichte“ provokant, wie sich Diversität und erweiterte Perspektiven ausstellen lassen. Die Ausführungen über den Auftrag, Sammlungen multiperspektiv zu beforschen und neue, diverse Narrative zu etablieren, löste eine kontroverse Diskussion über die Verantwortung der Museumsakteure für die Schwerpunktsetzung und Deutungsperspektiven aus.
Im folgenden Impuls „Sammlungsstrategie, Entsammeln und der Fußabdruck der Kuratierenden“ analysiert Frank Gnegel von der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, wie man Perspektivenwechsel praktisch in der Sammlungsarbeit umgesetzt könnte. Die Forderung nach einem bindenden Sammlungskonzept mit eindeutigen Bewertungskriterien, um ein von individuellen Präferenzen getriebenes Sammeln von Exponaten zu vermeiden, sowie nach der Entwicklung einer Bewertungsskala für Erwerb und Abgabe von Objekten fand viel Anklang.
Die praktische Umsetzung der verschobenen Objektinterpretation von der Ikone zum Narrativ in der Ausstellungsarbeit beleuchtete Dr. Walter Hauser vom LVR-Industriemuseum. Basierend auf seinem Impuls über die LVR-Museen im Wandel entspann sich eine lebhafte Diskussion um die Frage, ob man auf Kosten der technikaffinen Stammkundschaft utopische Sichtweisen durch dystopische ersetzen solle.
Am späten Nachmittag hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, Themen, Thesen und sich daraus ergebende Schlussfolgerungen für die zukünftige Arbeit Format in Kleingruppen im World Café- zu diskutieren. Dabei standen fünf Themen zur Auswahl: „Museumsdepots“, „Wo bleibt die Forschung?“, „Wofür stehen Objekte heute?“, „Verlustängste und Neutralität beim Sammeln und Entsammeln“ und „Sammeln unter Nachhaltigkeits- und Diversitätsaspekten“. Die Ergebnisse des regen Austauschs dokumentierte Sitha Reis in unterhaltsamer Form als Graphic Recordings, einer Art gezeichnetem Protokoll.
Dr. Andreas Hahn von der Museumsstiftung beschloss den Tag mit einem Blick in die Vergangenheit in seinem unterhaltsamen Abendvortrag „150 Jahre sammeln – die Geschichte der Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation“.
Der zweite Tag bot nach einer Rekapitulation der Diskussionen und Ergebnisse basierend auf den Graphic Recordings einen angenehmen Ausklang bei schönstem Wetter mit Exkursionen zu zwei Frankfurter Wahrzeichen: Börse und Flughafen.