Die neuen Leitlinien folgen in sehr vielen Bereichen den Empfehlungen und Leitfäden des Deutschen Museumsbundes. Sie bieten einen klaren Orientierungsrahmen und richten sich insbesondere an öffentliche Museen und Sammlungen, ihre Träger sowie an die Kulturpolitik. Vorgesehen sind u.a. ein Gremium als Ansprechpartner für Herkunftsregierungen sowie ein beratendes internationales Expertennetzwerk.
Die Leitlinien bieten beispielsweise Klarheit in Bezug auf Rückgabe von Kulturgütern, die aus Strafexpeditionen des deutschen Militärs stammen: hier gilt die bedingungslose Rückgabe, wenn dies von den Herkunftsgesellschaften gewünscht wird. Für menschliche Überreste ist keine Prüfung des Unrechtskontextes mehr notwendig, bei Rückgabeforderungen werden diese zurückgegeben. Auch bekennen sich die Leitlinien zu Sammlungsdigitalisierung, Provenienzforschung und sie stärken die internationale Zusammenarbeit. Ferner gibt es erste Ansätze zur Rehumanisierung der menschlichen Überreste.
Anders als vom Deutschen Museumsbund empfohlen behandeln die Leitlinien ausschließlich Sammlungsgut internationaler Provenienz aus kolonialen Kontexten. Auch wurde die Empfehlung zur Auseinandersetzung mit Rückgabeforderungen, denen keine Unrechtskontexte zu Grunde liegen, nicht aufgenommen. Der Fokus der Leitlinien liegt auf der deutschen Kolonialvergangenheit und Kulturgut. Ob unter Kulturgut auch naturkundliche Sammlungen verstanden werden, präzisieren die Leitlinien nicht. Es bleibt zu hoffen, dass dies so zu verstehen ist.
Zum Hintergrund:
Beim 23. Spitzengespräch am 14. Oktober 2025 haben der Staatsminister des Bundes für Kultur und Medien, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, die Kulturminister:innen der Länder und Vertreter:innen der kommunalen Spitzenverbände neue Leitlinien für den Umgang mit dem kolonialen Erbe verabschiedet. Sie wurden von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet. Einbezogen hat man hierbei Museumsleitungen, internationale Expert:innen sowie Vertreter:innen der Zivilgesellschaft. Auch der Deutsche Museumsbund war beteiligt.
Zu den zentralen Ergebnissen gehören die Schaffung eines Gremiums und eines Expertennetzwerks: Ein staatlich mandatiertes Gremium aus Vertreter:innen von Bund, Ländern und Kommunen soll zukünftig als zentraler Ansprechpartner für die Herkunftsregierungen und ihre Organe dienen. Ein interdisziplinäres und internationales Expertennetzwerk wird Museen, Sammlungen und ihre Träger fachlich beraten.
In den Leitlinien werden zunächst die bisher im Rahmen der Ersten Eckpunkte (2019 verabschiedete „Ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“) umgesetzten Maßnahmen und Vorhaben zusammengefasst, und zwar zu den dort definierten Handlungsfeldern und Zielen: Transparenz und Dokumentation, Provenienzforschung, Präsentation und Vermittlung, Rückführung, Kulturaustausch und internationale Kooperationen, Wissenschaft und Forschung.
Folgende Aspekte sollen zukünftig vertieft werden:
1. Die Grundsätze zur Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten
2. Der Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten
3. Die internationale Zusammenarbeit
Dabei sollen u.a. die Träger von Museen und Sammlungen die erforderlichen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für Rückgaben von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten aus Ihren Sammlungen schaffen. Ein interdisziplinäres, internationales Expertennetzwerk wird beratend tätig. Neben Vertreter:innen aus Wissenschaft und Museumspraxis sollen diesem auch Vertreter:Innen von Herkunftsgesellschaften angehören. Der Deutsche Museumsbund, ICOM Deutschland, das DZK und die Agentur für Internationale Museumskooperation werden den Aufbau unterstützen.
Ferner hat der Bund Mittel für die Konzeption und den Aufbau einer Anlaufstelle zum Umgang mit menschlichen Überresten zur Verfügung gestellt. Diese soll bei der Kontaktstelle für Kulturgüter und menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten angesiedelt werden. Als bleibende Herausforderungen werden die Re-Humanisierung, Provenienzforschung, Transparenz sowie die Durchführung von Repatriierungen benannt.
Die internationale Zusammenarbeit betreffend werden diverse Formate genannt, beispielsweise die neu gegründete Agentur für Internationale Museumskooperation und Programme wie ‚TheMuseumsLab‘, das den Austausch zwischen Museumsexpertinnen und Museumsexperten aus Europa und Afrika fördert.
Weitere Informationen:
Zu den Leitlinien (pdf)