Über 50 verschiedene Tätigkeitsprofile lassen sich für die Museumsarbeit identifizieren und verdeutlichen die Aufgabenvielfalt und den hohen Professionalisierungsgrad in den Museen. Diese Zahl stammt aus dem Leitfaden “Professionell arbeiten im Museum” von 2019 und müsste heute sicher aktualisiert werden. Denn das Arbeitsfeld Museum befindet sich im fortwährenden Wandel. Viele Berufsfelder haben sich verändert, neue sind dazu gekommen. Doch der Wandel umfasst nicht nur neue Aufgabenfelder oder neue technische Möglichkeiten im Zuge der Digitalisierung, er umfasst u. a. einen Generationswechsel, eine kritische Auseinandersetzung mit der Diversität in der Belegschaft und den Wunsch nach einer stärkeren Demokratisierung des Museums von Innen.
Laut statistischer Gesamterhebung an den Museen in Deutschland für das Jahr 2023 des Instituts für Museumsforschung sind 39% der Museumsleitungen Jahrgang 1961 und älter. Knapp 40% der Museumsleitungen werden also in den kommenden drei Jahren in den Ruhestand gehen. Eine Herausforderung und eine Chance zugleich, um Themen wie Diversität anzupacken.
Als öffentliche Institutionen und Bildungsorte arbeiten Museen im Auftrag und im Dienst einer vielfältigen und demokratischen Gesellschaft. Sie vermitteln komplexe Inhalte und diverse Wertesysteme, kontextualisieren aktuelle Ereignisse, setzen sich wissenschaftlich mit polarisierenden Themen auseinander und schaffen Raum für Diskurse und unterschiedliche Perspektiven. Dabei genügt es jedoch nicht, der Vielfalt unserer Gesellschaft in Ausstellungen und Begleitformaten zu begegnen. Museen müssen diese Vielfalt auch im Inneren abbilden. Denn erst wenn diverse Perspektiven in der Organisation vertreten sind, lassen sich diese auch authentisch nach außen abbilden. Doch tatsächlich spiegelt sich die Diversität unserer Gesellschaft häufig nicht in den Museumsteams wider und so fehlen im Inneren wichtige Perspektiven und praktisches Wissen. Entscheidende Voraussetzungen aber, um zukunftsfähig und gesellschaftlich relevant zu bleiben sowie demokratischer und allgemein offener zu werden.
Glücklicherweise ist der Wandel spürbar, viele Museen begeben sich in einen aktiven Transformationsprozess und sind bereit für Veränderungen. Dabei geht es jedoch um mehr als um ein einzelnes Projekt oder die Stelle einer einsamen Transformationsmanager:innen. Es geht um mehr als um Solidaritätsbekundungen und Statements. Es geht um einen kritischen Blick ins Innere der eigenen Organisation und um einen tiefgreifenden, institutionellen Veränderungsprozess. Dieser umfasst viele große, aber auch zahlreiche kleine Schritte und kann natürlich nicht von heute auf morgen erfolgen. Möglicherweise lässt er sich auch gar nicht abschließen in einer sich kontinuierlich verändernden, dynamischen Gesellschaft. Als Institutionen mit langer Tradition und großer Verantwortung für die Sammlungen und damit das materielle und immaterielle Erbe, fällt es verständlicherweise nicht leicht, sich ins Ungewisse zu begeben, ergebnisoffen zu arbeiten, Fehler zuzulassen, etablierte Abläufe über Bord zu werfen und sich immer wieder neu an gesellschaftliche Entwicklungen und Bedürfnisse anzupassen. Doch nur wenn Museen ein Teil der Gesellschaft werden, diese im Inneren widerspiegeln, ihre Impulse aufnehmen und umsetzen, könne sie ihre Relevanz erhalten, anschlussfähig bleiben und sich zukunftsfähig aufstellen.
Mit der Frage, wie sich Diversität in der Museumsorganisation umsetzen lässt, beschäftigt sich die Neufassung des Leitfadens „Museen, Migration und kulturelle Vielfalt“ des Deutschen Museumsbundes. Zahlreiche Museen möchten ihre Organisation öffnen und diverser werden. In der Praxis ist die Umsetzung jedoch oft mit vielfältigen Herausforderungen, Unsicherheiten und Fragen verbunden. Die Neufassung des Leitfadens setzt hier einen Schwerpunkt und bietet praktische Unterstützung. Welche Barrieren gibt es in der Organisationsstruktur und wie lassen sich diese beseitigen? Wie werden Museen für diverse Bewerber:innen attraktiv? Welche Kompetenzen werden bei der Personalgewinnung benötigt? Wie gelingt es vielfältige Perspektiven als Ressource zu nutzen? Wie verändert sich unsere Arbeitsweise? Welche Rolle spielt interne Kommunikation?
Aktuelle Fragen, die es zu beantworten gilt, um für alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Herkunft, Alter und sexuelle Orientierung – ein attraktiver Arbeitsort zu sein.
Die Neufassung des Leitfadens wird aktuell vom Arbeitskreis Migration im Deutschen Museumsbund in Kooperation mit weiteren Expert:innen erarbeitet und erscheint bis Ende 2025.
Der Beitrag „Vielfalt macht den Unterschied” von Sylvia Willkomm ist in dem Bereicht des Deutschen Kulturrates „Es geht voran. Sachstand Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien” erschienen.
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