Interview: Eine französische Perspektive

In einem Interview haben wir mit der Direktorin des Musèe d´Angoulême, Emilie Salaberry-Duhoux, über den Umgang mit Sammlungen gesprochen. Wie werden Transparenz und Partizipation eingesetzt, welche Erwartungen und Ansprüche werden an das Museum herangetragen und was können Museen in Deutschland noch lernen?

Wie setzen Sie Transparenz und Partizipation bei Ihrer Sammlungsarbeit im Musée d’Angoulême ein? Mit welchen Zielgruppen und Partnern arbeiten Sie zusammen?
Seit seiner Gründung ist das Museum von Angoulême Mitglied eines regionalen Netzwerks von Museen, die sich zunächst in der Region Poitou-Charentes und jetzt in Neu-Aquitanien befinden. Die Inventarisierung der Sammlungen ist eine Grundaufgabe. Begleitet wird diese Arbeit von einer Website, die einer breiten Öffentlichkeit Zugang bietet. Dort veröffentlichen wir regelmäßig Werkverzeichnisse, virtuelle Ausstellungen oder Arbeitsmaterialien. Alles ist auf der Grundlage von Partnerschaft und Kostenteilung, engagierten Mitarbeitern, Wissen und digitalen Errungenschaften aufgebaut. Das Webportal ermöglicht eine weite Verbreitung der jeweiligen Sammlungsarbeit, die sich viele Museen des Netzwerks einzeln nicht leisten könnten. Darüber hinaus haben die Kuratoren des Musée d’Angoulême in Frankreich und international Netzwerke von Forschern und Spezialisten in den von den Sammlungen betroffenen Bereichen aufgebaut oder sind ihnen beigetreten. Diese unterstützen das Studium und die Verbreitung der Sammlungen in allen möglichen Formen.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei? Welche Chancen sehen Sie darin für Ihre Arbeit? Welche weiteren Strategien und Maßnahmen planen Sie für die Zukunft?
Für die Abteilung für außereuropäische Sammlungen stehen wir vor zwei großen Herausforderungen: Wir haben vor, die Geschichte unserer Sammlungen besser zu dokumentieren und versuchen, Quellen zu finden, um ihren Weg nach Frankreich zu verstehen. Die zweite Herausforderung besteht darin, dass wir diese Sammlungen besser mit einer breiten Öffentlichkeit, aber auch und vor allem mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern teilen, aus denen die Sammlungen stammen. Dies muss erreicht werden, indem wir alle unsere Sammlungen dauerhaft und leicht zugänglich online stellen und Forschungsprogramme mitgestalten, die zu gemeinsamen Publikationen, Wander- oder gemeinsamen Ausstellungen an zwei Orten („Spiegelausstellungen“) führen könnten.

Was können Museen in Deutschland und Europa aus der internationalen Diskussion für die Gestaltung von Transparenz und Partizipation im Rahmen einer dekolonisierten Sammlungsarbeit, aber auch in weiteren Arbeitsbereichen lernen? Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Diese Sammlungen müssen auf eine neue Art und Weise, aus neuen historischen Blickwinkeln betrachtet werden, um den Diskurs durch eine Rekontextualisierung der Konstruktionsmodi der Sammlungen, des Ortes der Objekte in ihren Herkunftskulturen, ihrer Rolle oder ihres Status während ihrer Geschichte (ihrer Migration), der Aneignungs- oder Wiederaneignungsweisen und schließlich der Relativierung mit der heutigen Zeit zu entwickeln. Damit können wir diesen Objekten eine Zeitlichkeit zurückgeben und durch sie Bevölkerungsgruppen und Kulturen in ständiger Bewegung zeigen.

In welchen Bereichen sehen Sie Handlungsbedarf bei den Trägern der Museen und in der Politik in Deutschland und Europa?
Für die vollständige Digitalisierung der Sammlungen und deren Online-Bereitstellung mit dafür spezialisierten Mitarbeitenden habe ich in einer Struktur wie der des Musée d’Angoulême schlicht und einfach nicht die Ressourcen, um kurz- oder mittelfristig voranzukommen, indem ich die Funktionen der Leitung, des Managements (Finanz-, Personal- und Projektmanagement), der Kommunikation und der Programmierung der Institution inne habe. In dieser Situation sind bestimmt viele Museen in Europa.
Darüber hinaus wäre eine Verbindung zwischen Forschung und Kultur auf der Ebene der Ministerien zur Einführung großer Studienprogramme relevant, um die vertiefte Erforschung der Sammlungen aus historischer, ethnographischer oder künstlerischer Sicht zu begleiten (durch die Kreuzung von akademischen Disziplinen mit verschiedenen musealen Ansätzen).