Sind ältere Besucherstudien hilfreich für die aktuelle Museumsarbeit?

Durchaus, findet Dr. Inga Specht, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung und empfiehlt zum Beispiel Arbeiten von Dr. Marilyn G. Hood.

Besucherforschung existiert nicht erst seit einem Jahrzehnt. Schon relativ bald nach der Öffnung der Museen für die breite Bevölkerung in den 70gern und dem damit einhergehenden Paradigmenwechsel, wurde Besucherforschung aktiv betrieben und deren Ergebnisse z.T. auch publiziert.

Warum sollte man sich mit solchen „alten“ Studien bzw. Publikationen befassen? Zum einen können aus vergangenen Studien nach wie vor Anregungen für eigene Studien gezogen werden, und sei es nur zu wissen, wie etwas nicht gemacht werden sollte. Und zum anderen, finden sich Beiträge, die an Aktualität und Relevanz kaum etwas eingebüßt haben. Zwei solcher „Goldstücke“ möchte ich Ihnen hier wärmstens ans Herz legen:

1) Staying Away. Why People Choose Not To Visit Museums (1983) und

2) Significant Issues in Museum Audience Research (1991).

Beide von Dr. Marilyn G. Hood (Forscherin im Feld Museen und Audience Development).

Bereits vor 35 Jahren kam Marilyn Hood zu dem Ergebnis, dass Museen mehr brauchen als soziodemografische Angaben um sich ein Bild von ihren (Nicht-)BesucherInnen machen zu können. Denn die Entscheidung für einen Museumsbesuch, so Marilyn Hood, wird nicht durch die soziodemographischen Daten einer Person, sondern vielmehr durch seine/ihre Werte, Interessen und Erwartungen an außerberufliche Aktivitäten bestimmt. Zusätzlich differenziert sie in ihrem Artikel sowohl unterschiedliche Gründe (Motive) für die Entscheidung eines Besuchs als auch drei verschiedene „Besuchertypen“: häufige, gelegentliche und Nicht-BesucherInnen. Für diese zeigt sie dann auch entsprechende Angebotsmöglichkeiten auf, die an deren Bedürfnisse und Motiven ausgerichtet sind.

Ein Ansatz, der in Grundzügen schon das umsetzt, was sich heutzutage im Personas-Verfahren wiederfinden lässt. Neben der exemplarischen Umsetzung von Daten/Informationen über (Nicht-)Besucher in mögliche Angebote, ist an dem Beitrag außerdem bemerkenswert, dass Marily Hood schon sehr früh erkannt hat, dass es nicht DIE Besucher ─ ebenso wie es nicht DIE Nicht-Besucher ─ gibt, und dass Aspekte wie das Milieu- bzw. die Lebensstiltypologie von Personen relevant für die Besucherforschung bzw. das Audience Development sein können/sind.

Einige Jahre später (1991) veröffentlichte Marilyn Hood zudem ihren Artikel „Significant Issues in Museum Audience Research“. Für alle diejenigen, die – über den Leitfaden des Deutschen Museumsbundes hinaus – wissen möchten, warum Publikumsforschung wichtig ist und welche Fragen man sich u.a. als Museum stellen sollte, findet hier eine, wie ich finde, nach wie vor aktuelle und die Augen-öffnende Antwort.
Also nach wie vor aktuell? Im Großen und Ganzen auf jeden Fall! Aber, lesen Sie selbst und lassen sich zu eigenen Vorhaben inspirieren.

Literaturempfehlungen

Allmanritter, V. (2019). Lebensstile, Besuchermotivationen und eine erfolgreiche kollektive Besucheransprache von Kultureinrichtungen. Verfügbar unter http://www.konferenz-kultur.de/projekte/Projekt_Audience_Development.php [06.11.2019]

Hood, M. G. (1983). Staying away: Why people choose not to visit museums. Museums News, 61(4), 50–57.
– (1991). Significant Issues in Museum Audience Research. Visitor Behavior, 6(4), 18–23.

Kirchberg, V. (2005). Gesellschaftliche Funktionen von Museen: Makro-, meso- und mikro-soziologische Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Noschka.Roos, A. (2012). Vermitteln. Bildung als Auftrag. In B. Graf und V. Rodekamp (Hrsg.), Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen (S. 163–182). Berlin: Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz und G+H Verlag.

Schweibenz, W. & Wintzerith, S. (2018). The personas method: a tool for communicating data from visitor studies. Museologica Brunensia, 7(1), 5─18. Verfügbar unter http://hdl.handle.net/11222.digilib/138731