Wortwolke aus Freitextantworten der Volo-Umfrage zur Tariferhöhung von Felix Zilm

Auswertung Umfrage zur Tariferhöhung

Liebe Volos,

 

vor einigen Monaten haben wir euch um Rückmeldungen gebeten, ob sich die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen auch auf eure Entlohnung auswirken.

Wir danken euch für die vielen und sehr hilfreichen Antworten und die rege Teilnahme an unserer Umfrage. Die Auswertung ist abgeschlossen und wir freuen uns, die Ergebnisse mit euch teilen zu können.

Wir haben eure Antworten in einem Statement und in verschiedenen Diagrammen zusammengefasst. Wir haben für euch auch mehrere Optionen und Vorschläge zusammengefasst, wie ihr vor euren Institutionen und Trägern argumentieren könnt, wenn euch die Tariferhöhungen und/ oder der Inflationsausgleich bisher nicht zugestanden wurden.

Hier findet ihr die Diagramme und hier unser Statement nochmal zum downloaden.

 


Statement

Am 22. April 2023 kamen die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen zum Abschluss. Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich auf einen Inflationsausgleich in Form einer steuer- und abgabenfreien Sonderzahlung sowie eine Entgelterhöhung für 2024. In angepasster Höhe wurde beides auch explizit für Auszubildende, Studierende und Praktikant*innen, die im öffentlichen Dienst angestellt sind, beschlossen.[1] Während und nach den Verhandlungen erreichten uns als Arbeitskreis Volontariat des Deutschen Museumsbundes (DMB) vermehrt besorgte Nachrichten, in denen zunehmend deutlich wurde, dass diese Errungenschaften trotzdem häufig nicht die Lage der in Ausbildung befindlichen Volontär*innen im Kultursektor entlasten. Um einen aktuellen Überblick zu erhalten und genauere Aussagen über die Situation der Volontär*innen treffen zu können, starteten wir eine Umfrage. Es haben 223 Volos aus verschiedenen Bereichen in Museen, Kulturpolitik und Denkmalpflege teilgenommen. Die Umfrage wurde zwischen dem 25.07-08.08 durchgeführt, einem Zeitraum, in dem bereits mit der Auszahlung begonnen wurde.

Laut unserer Umfrage orientiert sich die Vergütung vieler Volos an 50% von Entgeltgruppe 13 der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst, gemäß der Empfehlungen des „Leitfaden für das wissenschaftliche Volontariat im Museum“ vom DMB.[2] Es gaben 20% an, nach TVL E13 50% vergütet zu werden und bei 42% richtet sich das Gehalt nach TVöD E13 50%. Aber dennoch konnten leider nur 21% der Befragten sagen, dass es durch die Tarifverhandlungen zu Auswirkungen auf ihre Vergütung kommt und 49% blieben weiter im Ungewissen. Ein wenig Hoffnung macht, dass die Nachfrage zu Gehaltsanpassung und Inflationsausgleich zumindest bei 13% zu positiven Antworten und aktiver Unterstützung geführt hat. Aber 46% aller Teilnehmenden hatten das Thema noch nicht im Betrieb oder bei der Trägerschaft angesprochen. Eure Freitextantworten zeichnen ein klares Bild davon, warum dieser Schritt nicht so leicht fällt, wie er sollte: Am häufigsten werden die nicht belastbaren Formulierungen der Arbeitsverträge genannt. Diese bieten kaum rechtliche Argumentationsgrundlagen, um für die Auszahlung der Gelder zu plädieren. Oft finden wir für die Höhe der Vergütung Formulierungen wie ,angelehnt an‘ vor. Wie jemand von euch schrieb:

“Wir sind laut [den angesprochenen Verantwortlichen] weder Angestellte noch Auszubildende noch Praktikanten und daher gelte die Regelung nicht für uns.”

Diese Zwischenposition in Kombination mit der begrenzten Vertragsdauer von maximal 2 Jahren führt zum zweiten oft genannten Problem: Die meisten haben ihre Stelle entweder erst vor Kurzem angetreten oder stehen vor dem Ende ihres Volontariats. Gerade wenn man hofft, übernommen zu werden oder darauf angewiesen ist, weiterempfohlen zu werden, ist es vielen zu heikel, das Thema anzusprechen. Hinzu kommt große Unsicherheit über generelle Handlungsmöglichkeiten und -schranken, was bei der starken Heterogenität der Trägerschaften in Kombination mit der rechtlich unklar definierten Position des Volontariats nicht verwundert.

Natürlich erkennen wir an, dass die Inflation auch Kultureinrichtungen betrifft und die Anpassung des Gehalts sowie die Zahlung des Inflationsausgleichs nicht zwangsläufig nur am guten Willen unserer Arbeitgeber scheitert. Wobei der ein oder andere Zweifel daran aufkommt, wenn in den Gesprächen ähnliche Aussagen fallen, wie die, von denen ihr uns berichtet habt:

“Eine weitere Begründung war: Man würde es ja nicht für das Geld machen und hätte einen anderen Beruf wählen müssen, wenn ein Bedarf an einem „guten“ Gehalt bestehe.”

“[…] [mit] 50 % berücksichtigt wird, obwohl ich in Vollzeit tätig bin. Die Personalabteilungsmitarbeitende sagte mir noch ich könne dafür dankbar sein, dass ich die Inflationsausgleichszahlung überhaupt zu 50% erhalte.”

“Wenn ich die Problematik gegenüber meinem Team angesprochen habe, kam nur „Da mussten wir alle durch.“ zurück.”

“Insbesondere vor dem Hinblick darauf, dass wir ohnehin nur einen Bruchteil des Gehalts für oftmals die gleiche Arbeit bekommen, wird diese dann noch nicht einmal durch verhältnismäßig kleineres finanzielles Entgegenkommen wie dem Inflationsausgleich gewürdigt, sondern stattdessen mit Kommentaren wie „die Belohnung kommt dann später“ und „euer Lohn sind die vielen Dinge, die ihr hier lernt“.

Die Situation um die Tariferhöhung und den Inflationsausgleich wirft ein Schlaglicht auf die Position von Volontär*innen in Arbeitsfeldern wie Museen, der Kulturpolitik und Denkmalpflege. Auch wenn der Leitfaden einleitend formuliert:

“Volontäre und Volontärinnen sind kein billiger Ersatz für fehlende wissenschaftliche Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Sie haben das Recht auf eine gute Ausbildung […]. Eine angemessene Vergütung sollte dabei selbstverständlich sein.”[3]

Aus unserer Umfrage lässt sich ablesen, dass die Frage der angemessenen Bezahlung eher strikt entlang der Grundempfehlungen des Leitfadens gehandhabt wird, statt ihren Kerngedanken zu fokussieren und, dem monetären Status einer höheren Ausbildung wie dem Master oder Doktortitel entsprechend, die konkreten Maßnahmen für die aktuellen Umstände zu adaptieren.[4] Eure Rückmeldungen zeigen, in welch unsichere Lage das jeden neuen Jahrgang von Volontär*innen bei der Absicherung persönlicher Grundversorgung bringen kann. Es hat sich gezeigt, dass Tarifverhandlungen in unserem Arbeitssektor nicht unbedingt zum Anlass genommen werden, um darüber nachzudenken, ob auch die Vergütung des Nachwuchses im Kulturbereich noch zu den gestiegenen Kosten für Miete, Nahrung und Energie sowie dem Wandel des Arbeitsmarktes passt. Mit Blick auf die gerade gestarteten Tarifverhandlungen im TVL ist es daher noch wichtiger, dass wir Volontär*innen jetzt zusammen aktiv auf diesen Umstand aufmerksam machen, in diesen Verhandlungen schon früher bei unseren Arbeitgebern und Trägern ein Bewusstsein dafür schaffen, uns auch zu berücksichtigen. Denn um es mit einem anderen einleitenden Satz des Leitfadens zu sagen:

“Die Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs für die verschiedenen musealen Arbeitsbereiche ist für die Institutionen von zentraler Bedeutung.”[5]

Wir danken allen Trägerschaften und Arbeitgebern, die den Inflationsausgleich und die Tarifanpassung ganz oder in Teilen zahlen und bitten mehr Einrichtungen, diesen positiven Beispielen zu folgen, bessere Arbeitsbedingungen für einen engagierten und gut ausgebildeten Nachwuchs zu schaffen und somit unser gemeinsames Ziel zu stützen: eine starke, lebendige, zukunftsfähige Kulturbranche.

Was können wir Volos tun, damit mehr Einrichtungen diesen Weg gehen?

Fürs Erste können wir euch nur dazu ermutigen, eurem Anliegen bei den Trägerschaften Gehör zu verschaffen. Die Umfrageergebnisse zeigen: Ihr seid nicht alleine und wenn Volos aktiv werden und sich zusammenschließen, dann können sie positive Ergebnisse erzielen. Und mehr noch: Wo ihr heute Prozesse des Umdenkens anstößt, kann die nächste Volo-Generation vielleicht das Momentum nutzen und die Änderungen als Präzedenzfälle für die Zukunft festigen. In euren Textantworten haben einige von euch berichtet, wie ihr bisher vorgeht und teils erfolgreich wart:

  • Mit Positivbeispielen argumentieren. Die 21,5%, bei denen die Tarifverhandlungen in unserer Umfrage Auswirkungen auf die Vergütung haben, können ein erster statistischer Anhaltspunkt sein, den ihr durch konkrete Positivbeispiele stärken könnt.
  • Sich nach anderen Volos im eigenen Haus oder/und in anderen Institutionen desselben Trägers erkundigen und sich zusammenschließen. Vielleicht gibt es sogar eine*n für euch zuständige*n Volosprecher*in.
    • Bei Museen städtischer Träger kann dann z. B. geschlossen auf den städtischen Personalrat zugegangen werden.
    • Volos aus dem LWL haben die Zusage für die Zahlung des Auszubildendenanteils erringen können. Hier half nach eigener Aussage wiederum, dass man darauf verweisen konnte, dass der LVR auch so vorgeht.
  • Wendet euch an den Museumsverband eures Bundeslandes, z. B. über den Volo-Arbeitskreis eures Bundeslandes.
    • In Berlin und Baden-Württemberg wurden beispielsweise von den Verbänden Schreiben verfasst, um Volos zu unterstützen. So können auch Gremien wie ein Ministerium, eine Staatskanzlei oder Ähnliches einfacher angesprochen werden, um eine möglichst langwirkende Lösung zu erzielen.
  • Wenn der Inflationsausgleich verweigert wird, hakt dennoch bei der Entgelterhöhung nach. Eure Antworten zeigen, dass diese eher gewährt wurde. Dafür zu argumentieren ist zumindest etwas leichter, wenn das Museum z. B. auch in der Stellenanzeige damit geworben hat, dem Leitfaden zu folgen und 50% von E 13 zu zahlen.

Wie können wir noch argumentieren?

Volontär*innen sind im Regelfall gut ausgebildete Hochschulabsolvent*innen, die meist einen Master und teils sogar einen Doktortitel haben.[6] Mit TVöD E13 50% und 40 Wochenstunden liegt die Vergütung dafür nur 0,08€/St. über dem momentanen Mindestlohn.[7] Und wie auch ihr in euren Freitextantworten anmerkt, haben sich die Lebenshaltungskosten in den letzten paar Jahren stark verändert.

“Als Mensch, der super viel in seinem Volo gelernt hat möchte ich nicht sagen, dass dieses Modell obsolet ist. Trotzdem muss ich sagen, dass ich das Gehaltsmodell absolut überholt finde. Die Einstufung lässt uns Akademiker*innen kurz über Mindestlohn arbeiten, häufig in Großstädten oder Touristischen Hotspots, wo das Leben an sich schon kostenintensiver ist.”

“Schon jetzt sind die ca. 1.522€, die viele Volontär*innen erhalten in keinem Verhältnis zu deren Arbeitsaufwand. Zudem sind die Lebenshaltungskosten in Städten so hoch, dass man häufig gerade so über die Runden kommt.”

Die statistischen Erfassungen bestärken diese Wahrnehmung. Die Inflationsrate lag im August 2023 bei 6,1% (im April waren es sogar noch 7,2%) und dabei bilden Energie und Nahrungsmittel die größten Treiber.[8] Zudem steigen die Mieten besonders in den Städten, aber auch in ländlichen Regionen.[9] Wer wenig verdient, zahlt generell einen höheren Anteil des Einkommens für die Miete. Mit TVöD E13 Stufe 1 50% zahlt eine alleinstehende Person im Schnitt um die 44% des Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete.[10] Die momentane Form der steigenden finanziellen Belastung trifft somit Geringverdiener wie Volontär*innen besonders stark, weil sie vor allem im Bereich der Grundversorgung entsteht. Gestiegene Kosten können so kaum durch Einsparungen abgedämpft werden.

 

[1] Die konkreten Beschlüsse: https://oeffentlicher-dienst.info/tvoed/tr/2023/

[2] Leitfaden für das Wissenschaftliche Volontariat im Museum, Februar 2018, Deutscher Museumsbund e. V.: S.9.

[3] Leitfaden für das Wissenschaftliche Volontariat im Museum, Februar 2018, Deutscher Museumsbund e. V.: S.5

[4] In der allgemeinen AK Volontariat – Umfrage 2022/23 hatten 89,7% der Befragten einen Master/Magister und 7,9% den Dr. des./Ph.D. Kann als Download eingesehen werden über: https://www.museumsbund.de/fachgruppen-und-arbeitskreise/arbeitskreis-volontariat/.

[5] Leitfaden für das Wissenschaftliche Volontariat im Museum, Februar 2018, Deutscher Museumsbund e. V.: S.4

[6] Siehe Fußnote 4.

[7] Mindestlohnrechner: https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Mindestlohn/Mindestlohnrechner/mindestlohn-rechner.html, Entgelttabellen 2022: https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tvoed/vka?id=tvoed-vka-2022&matrix=1, https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tv-l/west?id=tv-l-2023&matrix=1

[8] Pressemitteilung Nr. 355 vom 8. September 2023, Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/09/PD23_355_611.html, Pressemitteilung Nr. 179 vom 10. Mai 2023, Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/05/PD23_179_611.html

[9] Wie wir wohnen. Mieten, Deutschlandatlas: https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Karten/Wie-wir-wohnen/040-Mieten.html#_7icvnjjay, Pressemitteilung Nr. 129 vom 31. März 2023, Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_129_12_63.html

[10] Mieten, Mietbelastung, Haushaltsgröße und Haushaltsnettoeinkommen. Stand 24. August 2023, Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/Tabellen/tabelle-wo6-mieten-haushaltsnettoeinkommen.html